Die fünf Quellen der Teamenergie
Ein erstaunliches Phänomen im Sport ist die Tatsache, dass Teams mitunter zu einer erstaunlichen Hochform auflaufen oder binnen kurzer Zeit in ein scheinbar unerklärliches Leistungstief fallen. Selbstverständlich kann diese Dynamik auch jenseits des Sports grundsätzlich alle Teams erfassen. Was steckt also hinter dem Mysterium energetischer Teams?
Was ist Teamenergie?
Die meisten von uns sind Mitwirkende in irgendeinem Team. Das kann ein Sportteam, ein Verein, eine Interessensgruppe oder eine Projektgruppe sein. Hier haben wir erlebt, dass es unterschiedliche Tagesverfassungen, also kurzfristige Schwankungen der Leistungsfähigkeit geben kann. Wir haben möglicherweise auch erfahren, dass unterschiedliche Teams unterschiedlich starke Leistungen erbringen und unterschiedlich gut „funktionieren“. Und schließlich haben wir mitbekommen, dass ein Team über die Zeit, also langfristig, signifikant besser oder schlechter werden kann. Am deutlichsten sieht man das wohl in Sportteams, wo die Leistung ständig gegen eine Erwartungshaltung gemessen wird.
Bei all diesen Vergleichen sprechen wir vom Phänomen der Teamenergie als Ausdruck der Leistungsfähigkeit (nicht nur der Leistung) eines Teams. Wir sprechen also vom Potenzial des Teams, in schwierigen, herausfordernden, völlig neuen Situationen zu bestehen. In anderen Worten beeinflusst die Teamenergie unter anderem die Flexibilität, Innovationsfähigkeit und Resilienz oder Widerstandsfähigkeit eines Teams. Die Literatur unterscheidet hier produktive und korrosive / zerstörende Energie und spricht inhaltlich von emotionalen, kognitiven und verhaltensbezogenen Potenzialen. Im Zusammenhang mit individueller Arbeitsenergie – und das gilt in Analogie auch für ein Team – wird der Begriff des Energielecks verwendet: an welchen Stellen, durch welche Werthaltungen und Verhaltensweisen wird der / dem Einzelnen oder einem Verbund Energie entzogen? Wodurch verpufft die vorhandene Ressource Arbeitszeit, Intelligenz, Geld oder Fachwissen?
Wie kann Teamenergie gemessen werden?
Nun: das Potential, die abrufbare Teamenergie kann aussagekräftig gemessen und diagnostiziert werden. Fünf Faktoren sind es, die gemeinsam das Energiepotenzial bilden:
Da sind zunächst die Ressourcen, die einem Team zur Verfügung stehen – das ist gleichzeitig die Arbeitsbasis des Teams. Wenn es zu wenig Arbeitskapazität gibt, dann kann kein Leistungsklima entstehen, sondern dann geht die gesamte Kraft ins Überleben. Wenn der Dauerzustand ist, dass die wichtigsten Aufgaben aus Zeitknappheit nicht erledigt werden können, dann entsteht im Team kein Energiepotenzial. Genauso führt eine budgetäre Unterversorgung, eine ständige Geldknappheit oder eine eminente wirtschaftliche Besorgnis nicht dazu, für angespannte Phasen gewappnet zu sein. Die vorhandene Qualifikation der Teams und der Einzelnen oder die Möglichkeit, zu guten Mitarbeitenden am Arbeitsmarkt zu kommen, sind weitere entscheidende Ressourcen.
Als zweites geht es um die Managementfähigkeiten. Da ist zunächst einmal die Frage, ob es in unserem Team überhaupt eine funktionierende Koordination oder Führung gibt. Wenn das vorhanden ist, dann ist das schon die halbe Miete – dahingestellt, ob es ein designierte Einzelperson ist, die diese Verantwortung wahrnimmt, oder ob die Führungsaufgaben verteilt sind. Es ist darüber hinaus immer wieder unglaublich, wie viel Energie beim Fällen von Entscheidungen über Bord geht; einerseits, weil keine Entscheidungen getroffen werden oder weil der Entscheidungsfindungsprozess zu langsam geht und andererseits, weil viele Entscheidungen der Teamführung unverständlich oder gar unakzeptabel sind. Eine andere Frage ist die der Zielorientierung: sind wir uns sicher, dass das, was wir gerade tun und wofür wir einen wirklich großen und wertvollen Teil unserer Arbeitszeit und -energie einsetzen, überhaupt hilfreich für das Team ist? Gibt es darüber genug Rückmeldung von Seiten der Auftraggeber / weiß das Team darüber Bescheid, ob es auf der richtigen Spur ist oder verschleudert es gerade eine Menge an Ressourcen, indem diese in nicht überprüfte Beschäftigungsroutinen hineinfließen?
Das, was Teamenergie (drittens) am meisten beeinflusst, ist die Arbeitsatmosphäre, also der emotionale Anteil unserer Zusammenarbeit. Wie wohl fühlen wir uns in der Teamgemeinschaft, wie gern gehen wir zur Arbeit? Wie wertschätzend gehen wir miteinander um, wie sehr kümmern wir uns umeinander auch in stressigen und schlechten Zeiten? Wie sehr ist unser Umgang von Ehrlichkeit und Transparenz geprägt oder sind wir zueinander taktisch und politisch? Gibt es gar Fälle von unaufgelösten, ständig schwelenden Konflikten und vielleicht sogar gezieltes Mobbing? Ist das Verhalten durch Angst oder durch Mut und Zuversicht gesteuert? Klar ist, dass eine angstdominierte Teamkultur keine besonderen Leistungen erwarten lässt. Das Fußballteam, das sich vorm Gegner / die Band, die sich vorm Publikum fürchtet, können kaum brilliant sein.
Vernetztheit und Kommunikation sind ein Viertes. Die Kernfrage der Konkurrenzfähigkeit von Unternehmen, Organisationen, sozialen Verbänden ist: wie gut können die Kompetenzen der einzelnen Mitglieder genutzt werden, wie stark ist die Synergie und die kreative Kraft eines Teams. Diese entsteht durch effektives Zusammenarbeiten und Kommunizieren, aber auch durch die Vernetzung des Teams mit Auftraggebern, Kunden und sonstigen wichtigen Akteuren und Interessensträgern, die hilfreich sein können.
Und schließlich ist die verbindende Kraft all dieser Faktoren das Sinnhaftigkeitserleben und der Spirit, das/der in einem Team herrscht. Wenn die einzelnen Mitarbeitenden überzeugt sind, dass sie etwas Gutes für sich und die anderen tun, dann entsteht daraus unglaublich viel Eigendynamik, innere Motivation und Lösungsenergie. Wenn ich weiß, wofür ich mich abrackere (und wenn die Perspektiven attraktiv sind), dann mach ich‘s gerne und kraftvoll. Wenn ich daran zweifle, ob es uns in wenigen Monaten oder Jahren überhaupt noch geben wird, dann werde ich aus logischen Gründen meine Energie eher vorsichtig zum Einsatz bringen.
Zur Feststellung der aktuellen Energiebilanz gibt es ein ausgefeiltes Diagnosewerkzeug, das mit feiner Granularität aufspürt, wo ein Team seine Energie herkriegt und wo es sie verliert.
Es kann etwas getan werden…
Fünf Faktoren also, die in ihrer Gesamtheit gut erklären, wo derzeit die Energie abfließt und an welchen Verhaltensweisen, Themen und Aufgabenstellungen angesetzt werden soll. Schon das aktuelle Leistungsniveau kann verbessert werden, wenn die ersten Energielecks abgedichtet und in den Fokus der Interventionsarbeit genommen werden. Oft sind es Schlüsselprobleme, die eine unglaublich breite Wirkung auf Vieles haben, wie Führungsfragen oder erlebte Ungerechtigkeit oder ungelöste Streitigkeiten. In den wenigsten Fällen ist es die Aufgabenschwierigkeit oder die Knappheit an Mitteln und Ressourcen, die das Team in seiner grundsätzlich unglaublichen Leistungsfähigkeit behindern.
Summa summarum: die Teamenergie bestimmt die langfristige Konkurrenzfähigkeit und bis zu einem gewissen Grad auch die aktuelle Leistungsfähigkeit eines Teams. Diese Teamenergie kann man zuverlässig messen und diagnostizieren. Wenn man nach einer guten, transparenten Priorisierung der Themen an den wichtigsten Hebeln zieht, dann wird in kurzer Zeit ein signifikanter Sprung nach vorn gelingen, der einem angeschlagenen, maroden Team einen neuen Spirit verpasst.
Armin Kreuzthaler
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